Behandlungsansätze zur Verbesserung von Bewegungs- und Wahrnehmungsprozessen nach Schlaganfällen umfassen seit kurzer Zeit auch das noch junge Arbeitsfeld der transkraniellen magnetischen und elektrischen Stimulation. Hierbei werden geschädigte Gehirnareale nicht-invasiv durch an der Kopfhaut anliegende Spulen oder Elektroden aktiviert.
Hintergrund der Entwicklung transkranieller Stimulationsverfahren
Wissenschaftliche Untersuchungen konnten belegen, dass magnetische und elektrische Stimulationsverfahren neben Lernvorgängen und Gedächtnisprozessen auch die Wahrnehmungsleistung und das Erlernen von Bewegungen verbessern können [1,2]. Darüber hinaus gibt es inzwischen erste Hinweise, dass diese Methoden eine Verbesserung von Lähmungen nach einer Schädigung des Gehirns bewirken können [3]. Ärzte und Neurowissenschaftler haben inzwischen viele Erkenntnisse erlangt, wie diese Methoden sicher beim Menschen angewandt werden können. Ebenso konnten diese Methoden zur Untersuchung und zum besseren Verständnis von Heilungsmechanismen nach Schlaganfällen eingesetzt werden [2].
Jetzt sollen diese neuen Behandlungsmethoden auch zur Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten mit Lähmungserscheinungen der Hände und Sprachstörungen genutzt werden [2,4,5]. Erste Therapieberichte hierzu sind viel versprechend und haben zur Evaluation und Erarbeitung geeigneter Therapieprotokolle geführt. Diese neuen therapeutischen Anwendungen werden aktuell aber nur im Rahmen von Studien in wenigen Forschungs- und Rehabilitationseinrichtungen eingesetzt und sind keine "Routinebehandlungen".
Wie entstehen Lähmungen und Wahrnehmungsstörungen nach Schlaganfällen?
Die durch einen Schlaganfall geschädigten Nervenzellen (Neurone) können Ihre natürliche Aufgabe, die Informationsverarbeitung und -weitergabe durch elektrische Aktivierung, nicht mehr wie bei einem Gesunden ausführen. Dies ist die zentrale Ursache aller Symptome, die bei einem Schlaganfall auftreten können. Bei der Heilung der Symptome müssen andere Bereiche an der Oberfläche des Gehirns diese Funktionen stellvertretend übernehmen und die hierfür erforderliche spezielle elektrische Aktivierung (z.B. bei der Anwendung einer Sprachtherapie) neu erlernen. Es wurde vermutet, dass eine schwache elektrische Stimulation dieser Areale über die intakte Kopfhaut helfen kann, den Lern- und Rehabilitationsprozess nach Schlaganfällen zu beschleunigen. Inzwischen ist erforscht, dass die Bewegungssteuerung des Gehirns und Sprachregionen bei der Rehabilitation von Schlaganfällen tatsächlich besser aktiviert werden können, wenn die verbliebenen ungeschädigten Nervenzellen in der Nähe der betroffenen Nervenzellen zusätzlich durch einen Stimulationsstrom aktiviert werden. Auch für die Dämpfung einer durch den Schlaganfall verursachten Übererregung von Neuronen an geeigneter Stelle des Gehirns konnte ein Therapieerfolg belegt werden. In einer aktuellen Untersuchung konnte erneut der Therapieeffekt einer aktivierenden Stimulation für Neurone in der Nähe des geschädigten Gehirngewebes nach Durchblutungsstörungen nachgewiesen werden. Bei chronisch erkrankten Patienten, die mehr als 10 Monate nach einem Schlaganfall immer noch an einer Sprachstörung litten, konnten gute Therapieerfolge durch die Anwendung der transkraniellen Gleichstromstimulation erreicht werden.
Wie funktioniert die magnetische und elektrische Stimulation des Gehirns?
Die elektrische Aktivierung einzelner Hirnregionen kann durch direkte elektrische Aktivierung (tDCS = transkranielle "direct current" Stimulation; aus dem Engl.: Gleichstromstimulation) oder auch durch eine indirekte elektrische Aktivierung über magnetische Impulse (TMS = transkranielle Magnetstimulation) erreicht werden. Eine solche Stimulation erfolgt bei beiden Ansätzen über 5-15 Behandlungstage mit einer täglichen Stimulationszeit von 5-30 Minuten. Die dabei zu behandelnde Region des Gehirns wird bei der transkraniellen Gleichstromstimulation von außen über zwei auf die Kopfhaut aufgelegte Elektroden mit einem schmerzlosen Aktivierungsstrom stimuliert. Bei der transkraniellen Magnetstimulation wird eine rasche Abfolge von kurzen magnetischen Impulsen über eine an den Kopf gehaltene Magnetspule verabreicht und damit indirekt ein Strom durch die intakte Kopfhaut an den oberflächlichen Neuronen erzeugt. Beide Methoden sind schmerzfrei und lassen sich auch wiederholt anwenden. Durch detaillierte klinische und neurophysiologische Untersuchungen vor dieser Stimulation (z. B. Hirnstromuntersuchungen [EEG, Elektroencephalogramm]) wird eine Gefährdung des Patienten durch diese Therapieform minimiert. Bei Patienten mit einer bekannten Epilepsie können diese Methoden zur Therapie von Schlaganfallsymptomen nicht angewendet werden. Diese neuartigen Therapieansätze bieten weitere Behandlungschancen und kommen derzeit bereits in spezialisierten Kliniken und Forschungszentren bei geeigneten Patienten im Rahmen von Studien zur klinischen Anwendung. Die Therapieeffekte werden dabei engmaschig kontrolliert, um weitere Verbesserungen der Aktivierungsbedingungen zu erreichen. Die Untersuchung geeigneter Patienten findet auch in Kliniken der Berliner Schlaganfall Allianz (BSA) im Rahmen von Evaluationsprojekten statt.
Literatur
[1] Nitsche MA, Cohen LG, Wassermann EM et al. Transcranial direct current stimulation: State of the art 2008. Brain Stim. 2008; 1: 206-23.
[2] Johansson BB. Current trends in stroke rehabilitation. A review with focus on brain plasticity. Acta Neurol Scand: DOI: 10.1111/j.1600-0404.2010
[3] Hummel F, Celnik P, Giraux P, et al. Effects of non-invasive cortical stimulation on skilled motor function in chronic stroke. Brain 2005; 128: 490-499.
[4] Martin PI, Naeser MA, Theoret H, Tormos JM, Nicholas M, Kurland J, Fregni F, Seekins H, Doron K, Pascual-Leone A. Transcranial magnetic stimulation as a complementary treatment for aphasia. Semin Speech Lang. 2004; 25(2): 181-91.
[5] Baker JM, Rorden C, Fridriksson J. Using transcranial direct-current stimulation to treat stroke patients with aphasia. Stroke. 2010; 41(6):1229-36.
Autor:
PD Dr. med. W. Nager
Berlin Artikel